Wer nur die späteren Bücher (ab 1934) von Endres kennt, vermutet hinter diesem faszinierenden, hochgebildeten und pazifistischen Menschen vielleicht als Letztes einen ehemaligen Generalstabschef, der im 1.Weltkrieg in der türkischen Armee kämpfte. Man mag nicht so recht glauben wollen, dass Endres Professor für Kriegsgeschichte war und sich erst auf Grund einer fast tödlich verlaufenden Krankheit (Malaria) der Philosophie zuwandte.
Franz Carl Endres wurde am 17.12.1878 in Bayern als Sohn des Carl von Endres, königlich bayrischen Generalleutnant, geboren und starb am 10.3.1954 in Freidorf (Schweiz). Über seine Kindheit ist wenig bekannt (genauso wenig wie über seine Ehe mit Elisabetha Magdalena Schmidbauer, die er 1918 heiratete). Aus seinen Büchern ist nur zu entnehmen, dass das Leben fürs Militär in seiner Familie Tradition hatte. Er besuchte die Kriegsakademie in München, wo er von 1906 bis 1909 als Dozent für Kriegsgeschichte arbeitete. Anschließend war er als Professor an der Generalstabsschule in Konstantinopel (heutiges Istanbul) tätig. Nebenher diente er verschiedenen deutschen demokratischen Zeitungen als militärischer und politischer Auslandskorrespondent. Endres lebte über viele Jahre im Nahen Osten - an der Küste des Bosporus, sowie in Allepo (Syrien). Er war ein führendes Mitglied der Deutschen Liga für Menschenrechte und zudem in hoher Stellung in der deutschen Freimaurerei.
Nachdem er 1919 an Malaria erkrankte und sich nur langsam von ihr erholte, kehrte Endres nach Deutschland zurück. Anfang der 20er Jahre veröffentlichte er dann das Buch „Die Tragödie Deutschlands“. Er lässt sich dort über das Verhalten der Politik in Deutschland während des 1.Weltkrieges aus. (Das Naziregime setzte dieses Buch später auf den Index.) Das brachte ihm viele Kritiker und Feinde, so dass er sich gezwungen sah, 1926 nach Küsnacht in die Schweiz auszuwandern. Dort lebte er als freier Autor und widmete sich vor allem dem Schreiben von soziologischen und philosophischen Büchern. Er hielt Radio- und Universitätsvorträge und schrieb Kolumnen für schweizerische Tageszeitungen.
Endres schrieb 1934 Folgendes über sein Bemühen, seine Mitmenschen an die Philosophie heranzuführen: „Ich verstehe unter Philosophie das aufrichtige Bemühen, sich über sich selbst und über die Welt Gedanken zu machen mit dem Ziele, die Weisheit richtiger Bewertung zu gewinnen. […] Ich will auch im Schwierigsten vor allem allen verständlich bleiben. Denn zu denen, die suchen, soll gesprochen werden, nicht zu denen, die da stolz glauben, schon gefunden zu haben.“ (aus „Philosophie des Alltags“, 1934) Ich hoffe, im Kapitel Aphorismen wird man sehen, dass ihm dieses Anliegen auf beeindruckende Weise gelungen ist.
Des Weiteren rezensierte er Gedichte und verfasste selber einige, die er in manchen seiner autobiographischen Schriften veröffentlichte.
Am Lindenbaum, an Dorfes Rand
Die Sehnsucht meiner Jugend stand
Mit Wünschen und mit Hoffen.
Und vor mir lag das weite Land,
So morgenschön, so unbekannt,
So ganz der Sonne offen.
Ich ging hinaus in Duft und Traum
und wurde alt und merkt' es kaum,
Die Sehnsucht schritt zur Seite.
Und wollt' ich ruhn am Waldessaum,
Zeigt' mir die Sehnsucht fernen Raum
Und zog mich fort ins Weite.
Sie sang und sang ein seltsam Lied:
"Geh' hin, wo Dir Dein Glück erblüht!"
Vom Glück ging ich zum Leide.
"Ach Sehnsucht Du, ich bin so matt,
Schon färbt der Herbst das müde Blatt,
Rot wird die Sommerheide."
Da führt sie mich mit weicher Hand
Dahin, wo meine Wiege stand,
Wo Glück und Kindheit lagen.
Der Lindenbaum, an Dorfesrand
Rauscht in der Sehnsucht letztem Land
Ein Lied von Jugendtagen.
(Franz Carl Endres, 1934)